Sie sind von mir zur Begutachtung eingeladen worden oder ich werde sie in der nächsten Zeit am Familiengericht dazu treffen?
Beauftragt von den verhandelnden Familienrichtern habe ich die Aufgabe bekommen ihm bei der Entscheidungsfindung ihres Familienverfahrens zu helfen. Da RichterInnen in der Regel keine PsychologInnen sind, wollen sie vor allem ganz bestimmte Fragen von uns Sachverständigen beantwortet haben. Diese werde ich mit ihnen erläutern.
Manchmal habe ich auch den expliziten Auftrag als Mediatorin zu fungieren, das bedeutet, noch einmal zu versuchen Einigkeit zu erzeugen in Sorgenrechtsverfahren, Streitigkeiten beizulegen oder zu vermitteln. Auch dies werde ich mit ihnen vorab besprechen.
In den allermeisten Fällen geht es um den dauerhaften Aufenthalt ihres Kindes, Teile der Personensorge, das Sorgerecht im Ganzen oder Pflegekindschaften. Hierbei habe ich, ganz egal welcher Art die Fragestellung des Richters an mich ist, immer das Wohl ihres Kindes im Auge zu behalten. Gemeinsam mit dem Verfahrenspfleger, dem sogenannten Anwalt des Kindes, ist es meine Aufgabe ihrem Kind, welches meist schon sehr viel Aufregung hinter sich hat, so rasch wie möglich ein Ankommen und sich Beruhigen zu ermöglichen und vor allem wieder Sicherheit zu verschaffen. Sicherheit darüber, wie es weiter geht, wie ich mit meinen Eltern sprechen kann, ohne das einer traurig wird, wie ich mich verhalte wenn ich bei dem einen bin und den anderen vermisse und wo ich wohnen werde.
Sicherheit bedeutet für Kinder in Gerichtsverfahren zu wissen, das die eigene Meinung zählt, zu erfahren, dass es wichtig ist, wie es einem selbst als Kind geht und frei ohne Loyalitätskonflikte sprechen und agieren zu können.
Ich werde mich mit ihnen und ihrem Kind (und ggf weiteren wichtigen Personen) treffen und sie kennen lernen. Ich werde versuchen ihre Geschichte aufzunehmen und es werden vermutlich auch Testverfahren eingesetzt, um bestimmte Sachverhalte zeitsparend und komprimiert in Erfahrung zu bringen. Ich bin approbierte Psychotherapeutin für Verhaltenstherapie und werde ausschliesslich wissenschaftlich begründete und standardisierte Verfahren einsetzen. Treffen werden wir uns bei Gericht in einem neutralen Raum, ggf. auch bei ihnen zu Hause und in meiner Praxis.
Am Ende wird es meine Aufgabe sein, festzustellen, wie es ihnen allen geht, wo ihre Stärken und Schwächen in der Erziehung liegen, wie sie sich selber ihre Zukunft vorstellen und alles in Beziehung zu einander zu beurteilen. Diese Empfehlung stellt dann unter psychologischen Gesichtspunkten für den Moment die günstigste und am wenigstens problematische oder entwicklungstoxische Entscheidung für ihr Kind dar. Sie wird mit ihnen besprochen werden und ihnen auch via Post zugestellt werden. Danach kommt für sie die eigentliche „Arbeit“: sie werden versuchen müssen Kompromisse zu schließen und sich an eine Lebenssituation zu gewöhnen, die sie nicht alle in gleichem Maße so gewollt haben.
Sie können gegen das Gutachten Einspruch einlegen.
Beachten sie dabei stets, dass es nicht um sie geht und wie es ihnen damit geht – es geht um einen minderjährigen Menschen, der sich die Lebenssituation in der er oder sie steckt nicht ausgesucht hat.
Es ist unsere Aufgabe gemeinsam eine Lösung zu finden, das kleine Menschen sich förderlich für seine Zukunft entwickeln kann. Die Entscheidung des Gerichts ist nicht für immer – sie gilt für das jetzt und heute. Manchmal ist sie auch mit Auflagen und einem Wiedersehen verbunden. Auch muss er/sie sich nicht an meine Empfehlung halten, meine Aufgabe ist es zu erklären und Zusammenhänge zu erläutern und dies zu begründen, nicht zu entscheiden.
Beachten sie auch, dass es in den meisten Fällen keine Entscheidung geben kann, mit der alle gleich zufrieden sind. Andernfalls müsste das Gericht ihnen nicht dabei helfen.